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  Ein-Mann-Bunker
 
Ein-Mann Bunker in Potsdam Babelsberg

Im Beetzweg befinden sich 4 Ein-Mann-Bunker (Splitterschutzzellen). Nach einem Bericht der PNN (unter den Bildern), "Die vergessenen Betonpilze von Babelsberg", sah ich mir diese Bunker auch einmal an. Tief im Industriegebiet in einer Grünanlage nah beieinander. In den Beitrag der PNN gibt es einiges zu den Betonpilzen zu Lesen sowie eine geschichtliche Auswertung des Ortes.


 

 

 

 

 

 

Quelle: PNN Erschienen am 25.03.2015 auf Seite 09

Die vergessenen Betonpilze von Babelsberg
von Stefan Engelbrecht und Svenja Morgener

Auf einer Grünfläche in einem Babelsberger Industriegebiet stehen seit Jahrzehnten vier Mini-Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg herum. Wofür sie gedacht waren, ist weitgehend unbekannt.

Babelsberg – Sie stehen da wie etwas zu groß geratene Pilze – vier Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg hocken seit mehr als 70 Jahren in der Erde einer kleinen Grünfläche in Babelsberg. Sie haben einen „Stiel“ mit einem Durchmesser von etwa vier Metern, der „Hut“ ist etwas breiter und bedeckt das Betonbauwerk komplett. Sogar eine kleine Krempe ragt darüber hinaus. Der Zweck der Bauwerke ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Und auch Historiker rätseln darüber, wozu die massiven Mini-Bunker auf einer Grünfläche im heutigen Beetzweg ursprünglich gedacht waren.

Vier bis fünf Leute passten wohl rein in die seltsamen Luftschutzräume, die knapp hüfthoch aus dem Rasen ragen und 2004 bei einer Sanierung des verwilderten Geländes zum Vorschein kamen. Heute sind zumindest drei davon bis an den Rand mit Erde und Müll zugeschüttet. Nur einer ist noch begehbar. In ihm liegt an einem Morgen im März noch ein Schlafsack und eine dreckige Decke. Hier hat sich wohl jemand vor der noch frischen Witterung schützen wollen. Vor Jahren soll auch mal eine Leiche dort entdeckt worden sein, wird erzählt.

Schutzbunker für die Chefs eines rüstungswichtigen Betriebes?

Der Beetzweg ist Teil eines Industriegebietes mit zahlreichen Autohändlern in der Nähe der Nutheschnellstraße. Gegenüber der Grünanlage mit den Betonpilzen liegt eine Schrebergartensiedlung, auf den Parzellen arbeiten zwei nicht mehr ganz so junge Männer bereits am frühen Morgen in ihren Blumenbeeten und geben bereitwillig ihr Wissen über die Relikte des Zweiten Weltkriegs weiter. „Das gehörte sicherlich zu dem Rüstungsunternehmen Orenstein & Koppel, das hier mal war“, sagt der etwa 70-jährige Mann und holt seinen Nachbarn herüber. Der widerspricht: „Das war die Luftverteidigung um Berlin“, sagt er. Hier habe ein Flugabwehrgeschütz gestanden. „Die Bunker waren für die Besatzung“, fügt er hinzu.

War es also ein Schutzbunker für die Chefs eines rüstungswichtigen Betriebes in der Zeit des Nationalsozialismus oder bauten die Verteidiger Berlins kurz vor dem Zusammenbruch noch schnell Befestigungsanlagen in Potsdam? In der Gegend am Nuthetal waren gleich mehrere Rüstungsbetriebe ansässig, neben Orenstein & Koppel auch die Arado-Flugzeugwerke. Die Firma wurde 1961 liquidiert.

Details zur Zeit zwischen 1933 und 45 in Potsdam fehlen
Es sind alles mögliche Erklärungen. Doch auf der Suche in der Vergangenheit wird deutlich, dass viele Details zur Zeit zwischen 1933 und 1945 in Potsdam vergessen sind – und nur mühsam wieder hervorgeholt werden können. Eine Tatsache, die auch Historiker auf einer Tagung im Januar kritisierten und dabei eine umfassende Ausstellung zum Nationalsozialismus in Potsdam forderten.

Auch Thomas Schaarschmidt vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) muss erst einmal passen. Er kenne solche Bunker nur aus anderen Bundesländern. So habe er einmal welche gesehen, die wie Fliegenpilze angemalt worden seien. „Das ist doch total schräg“, meint der Historiker, der sich seit Jahren mit der jüngeren Geschichte Potsdams auseinandersetzt.

Scheinbar konzeptlos
Die Bunker seien wohl erst gegen Ende des Krieges um 1943 gebaut worden, mutmaßt er. Sie seien sehr massiv, hätten aber einem direkten Treffer nicht standhalten können. Vor allem die Schießscharten gegenüber dem Eingang zum Bunker irritieren ihn. Es gibt eine für jeden Bunker. Die vier Bauwerke stehen scheinbar konzeptlos auf der Wiese herum, jedes Guckloch schaut in eine andere Richtung.

Schaarschmidt hielt zunächst die Theorie der Belegschaftsschutzräume für Mitarbeiter von Orenstein & Koppel für plausibel. „Aber da passten ja nur 20 Leute rein. Damit konnte man die Produktion auch nicht fortführen“, betont er. Das Unternehmen – einst gegründet von jüdischen Unternehmern – war 1940 im Zuge der Arisierung von der Hoesch AG übernommen worden. Vielleicht sei hier auch gegen Ende des Krieges ein Splitterschutzgraben errichtet worden, um die Bevölkerung vor den Luftangriffen zu schützen? Oder waren es vielleicht Brandwachen, die auf dem Industriegelände nach Schäden durch Bombenabwürfe Ausschau hielten? „Brandwachen mussten immer draußen sein, um zu melden, wenn ein Teil der Anlage brannte“, sagt Schaarschmidt und fügt hinzu: „Das könnte eine Erklärung sein.“

Oder Schutz für Menschen in der Umgebung
Beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) der Bundeswehr in Potsdam ist das Wissen über die vergessenen Schutzräume ebenfalls nicht mehr vorhanden. Sprecher Harald Potempa verweist an eine weitere Einrichtung, die sich mit der Landeshauptstadt und ihrer Geschichte befasst: das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Dessen Ausstellungsleiter Thomas Wernicke mutmaßt zunächst, die Bunker seien lokale Luftschutzmaßnahmen für die Menschen in der Umgebung gewesen – und vermittelt schließlich an den Zeitzeugen Klaus Arlt, der sich seit Jahren mit der Babelsberger Geschichte befasst.

Er habe als kleines Kind in der Nähe der Bunker gewohnt, erzählt der 80-Jährige und kramt in seinen Erinnerungen. „Die waren für die Wachmannschaften des Kriegsgefangenenlagers“, sagt er. Ähnliche Bunker-Anlagen hätten auch in Peenemünde gestanden, an der dortigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde, in welcher die sogenannten V2-Raketen hergestellt wurden. Die „Schießscharten“ dienten Arlt zufolge als Sichtachse entlang der Lagerstraßen, um die Gefangenen, die zur Zwangsarbeit in den Rüstungsbetrieben herangezogen wurden, zu bewachen. Westliche Gefangene seien dies aber nicht gewesen. Die hätten sich ja relativ frei bewegen können außerhalb ihrer Arbeitszeit. Vermutlich seien am heutigen Beetzweg russische Gefangene untergebracht worden. Denen war das nicht gestattet. Thomas Schaarschmidt vom ZZF hält die Erklärung für sinnvoll. Was genau in dem Lager vor sich ging, könnte ja Teil der diskutierten umfassenden Ausstellung zum Nationalsozialismus in Potsdam werden.

Wenig Platz im Ein-Mann-Bunker
Doch sind das die einzigen erhaltenen Bunker in Potsdam? Zumindest in der Villengegend Neubabelsberg befindet sich noch ein Exemplar in der Karl-Marx-Straße 24. Dabei handelt es sich um einen aus Beton gegossenen Ein-Mann-Bunker, der sich im Vorgarten eines Wohn- und Geschäftshauses befindet. Von der Straße aus fällt er kaum auf, da er teilweise mit Moos bewachsen ist. Die ebenfalls aus Beton bestehende Tür geht heute kaum noch auf, sie steht halb offen, die Metallscharniere lassen sich nicht mehr bewegen. Nur kriechend kann man hineingelangen.

Innen kann man sich lediglich einmal im Kreis drehen, der Platz gibt nicht mehr her. Allein die vier Schlitze in den Wänden ermöglichen einen Blick in die Umgebung. Immerhin ist der Unterschlupf hoch, auch ein groß gewachsener Besucher müsste sich in diesem Schutzraum nicht bücken.

Naumanns Bunker steht unter Denkmalschutz
„Erbaut wurde er für Werner Naumann“, sagt der jetzige Eigentümer des Grundstücks, Edmund Heidner. Er sei Staatssekretär im Propagandaministerium von Joseph Goebbels gewesen – und eine Art „Stellvertreter“. „Für hochrangige Nationalsozialisten wie Naumann war es Pflicht, einen Bunker anzulegen, um sich vor feindlichen Luftangriffen schützen zu können“, so Heidner weiter. „Er trat bereits in jungen Jahren in die NSDAP ein und war dort immer ein treuer Anhänger Hitlers“, sagt der Grundstücksbesitzer. Selbst nach dem Scheitern des Dritten Reichs habe Werner Naumann immer wieder erfolglos versucht, eine Diktatur in Deutschland zu errichten. „Er ist nach Nordrhein-Westfalen geflohen und versuchte dort, die FDP zu unterwandern“, sagt Heidner.

An Naumanns Bunker hat der aktuelle Grundstücksbesitzer keine Änderungen vorgesehen. Das ist auch nicht erlaubt, da er wie das Wohngebäude unter Denkmalschutz steht. (mit baf)
 
   
 
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